20.12.16 Professionalisierung von Lehrpersonen – ein Problem?
Prof. em. Dr. Walter Herzog, der durch zahlreiche Studien zu Einzel- und Gesamtfragen des Lehrberufs und als engagierter Diskutant vieler jüngerer Entwicklungen im Schweizer Bildungswesen bekannt ist, machte vor allem auf die Unklarheiten aufmerksam, die mit der Forderung verbunden sind, durch Theorie die Praxis zu verbessern. Einerseits liege solch einer Erwartung ein technisches Verständnis von Wissenschaft zugrunde, dessen Anwendungsbedingungen aber im Bereich sozialen Handelns (anders als in den Ingenieurwissenschaften) nicht gegeben sind und die sich auch nicht herstellen lassen. Andererseits würden die Entwicklungen der modernen Wissenschaften und ihrer Forschungsmethoden ausser Acht gelassen. Es gäbe nicht mehr «die Theorie», weder in einer einzelnen Wissenschaftsdisziplin noch im Gesamtfeld aller Wissenschaften, die sich mit Lehre, Unterricht und dem Lehrberuf beschäftigen.
Stimmen diese Diagnosen? Und wenn, welche Konsequenzen wären zu ziehen: in der Ausbildung, in der Weiterbildung, im Schnittfeld zwischen Forschung und Lehre in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung? Die Teilnehmenden aus der Forschungsabteilung, der Hochschulleitung, den Studiengangsleitungen, verschiedenen Fachbereichen, der Weiterbildung und der Studierendenschaft brachten reichhaltigen Diskussionsstoff ein. Wenn es schon keine Einfach-Antworten gibt, dann müssen umso mehr Strategien formuliert werden. Eine Idee dazu erlangte besondere Aufmerksamkeit. Walter Herzog verwies auf jene Formen des Wissens, die durch Erzählungen vermittelt werden; und Erzählungen seien «die ältere Schwester der Theorie». Es gäbe keineswegs nur die Erzählungen «aus der Praxis». Auch Wissenschaft bringe Erzählungen hervor. Vielleicht lassen sich aus dieser Begleiterscheinung von Wissenschaft fruchtbare Impulse gewinnen, um die Wissenschaftlichkeit der Lehrerinnen- und Lehrerbildung nicht mehr nur als ein technik-ähnliches Problem zu verstehen.