Chronik-Detail

15.07.20 Schlussbericht zum Projekt MePraS publiziert

Im Forschungsprojekt «Mehrsprachige Praktiken von Kindern und Fachpersonen in Spielgruppen» (MePraS) hat ein Team der Forschungsabteilung der Pädagogischen Hochschule Thurgau und der PHZH das Lernen mehrsprachiger Kinder in Spielgruppen untersucht und bildungspolitische Empfehlungen formuliert.

Spielgruppen sind in der Deutschschweiz weit verbreitet – gerade in ländlichen Regionen, wo Kindertagesstätten oft fehlen. Wenn Kinder mit Migrationshintergrund frühzeitig und genügend zeitintensiv eine Spielgruppe von guter Prozessqualität besuchen, wirkt sich das günstig auf die Entwicklung ihrer mehrsprachigen Fähigkeiten aus. Das Projekt «Mehrsprachige Praktiken von Kindern und Fachpersonen in Spielgruppen» (MePraS) trägt mit der Erarbeitung von grund­legendem Wissen zur Weiterentwicklung der vorschulischen Sprachbildung in Spielgruppen bei.

Im Projekt MePraS wurde eine längsschnittliche kontrastierende Fallstudie durchgeführt. Beteiligt waren vier Spielgruppen mit mittleren bis hohen Anteilen an Kindern, die zuhause kein Deutsch sprechen. In jeder Spielgruppe wurde zu Beginn und am Ende des Schuljahres ein ganzer Spielgruppenvormittag gefilmt. Dabei fokussierte eine Kamera die Spielgruppenleiterin und eine zweite ein mehrsprachiges Fokuskind. Diese Videodaten wurden einerseits sequenzanalytisch ausgewertet, um den kommunikativen Alltag in Spielgruppen genauer zu verstehen. Andererseits wurden die Sprachproduktionen der Fokuskinder linguistisch analysiert, um den Gebrauch von Erstsprache und Deutsch sowie die Zunahme ihrer sprachlichen Aktivitäten bis zum Ende des Schuljahres zu untersuchen. Die qualitativen Auswertungen haben unter anderem zu folgenden Ergebnissen geführt:

  • Die interessegeleitete Kommunikation mit deutschsprachigen Kindern ist ein zentraler Motor des Deutscherwerbs mehrsprachiger Kinder in Spielgruppen. Die sprachliche Durchmischung von Spielgruppen, Zeit für freies Spielen und die Förderung von Kinderfreundschaften sind deshalb wichtige Unterstützungsformen.
  • Der Deutscherwerb wird durch den kommunikativen Gebrauch der Erstsprachen nicht behindert. Im Gegenteil: Bildungssprachliche Praktiken, die in der Erstsprache bereits vertraut sind, können auch für Gespräche auf Deutsch genutzt und die dafür benötigten sprachlichen Mittel leichter erworben werden. Die Erstsprachen der Kinder sollten deshalb sichtbar gemacht, wertgeschätzt und kommunikativ genutzt werden. Gespräche zwischen Kindern derselben Erstsprache sollten nicht unterbunden werden.
  • Eine adaptive und anregende, die Initiativen der Kinder aufgreifende und partizipierende Ausgestaltung des Spielgruppenalltags durch die Spielgruppenleiterinnen dürfte sprachliche Bildungsprozesse in Spielgruppen unterstützen, sofern die Qualität der pädagogischen Interaktionen gewährleistet ist.
  • Kinder im Spielgruppenalter erwerben Sprache und Deutsch nicht durch Vermittlung und Training des deutschen Sprachsystems, sondern durch Sprachgebrauch bzw. Kommuni­kation. Es geht darum, eine lebendige – auch mehrsprachige – Gesprächskultur zu pflegen und Kinder bei der Bearbeitung herausfordernder kommunikativer Aufgaben zugeschnitten zu unterstützen.

Diese Ergebnisse geben wichtige Hinweise für die Stärkung von Spielgruppen als vorschulische Bildungsangebote. Handlungsbedarf besteht insbesondere in folgenden Bereichen:

  1. Weiterentwicklung der Aus- und Weiterbildung von Spielgruppenleitenden
  2. Engagement der öffentlichen Hand für faire Rahmenbedingungen von Spielgruppen
  3. Integration von Kindern, die zuhause kein Deutsch sprechen, in die regulären Spielgruppen (mit deutschsprachigen Kinder)
  4. Umsetzung einer alltagsintegrierten Sprachbildung (anstelle isolierter Deutschkurse).
  5. Vertiefende Forschung zum Spielgruppenfeld

Das Projekt MePraS wurde von der PHTG (Forschungsabteilung, Schwerpunkt Frühe Sprachbildung) in Zusammenarbeit mit der PHZH durchgeführt. Beteiligt waren Prof. Dr. Dieter Isler  (Projektleitung), Prof. Dr. Achim Brosziewski, Katharina Kirchhofer, Betül Dursun, Judith Maier (alle PHTG), Sibylle Künzli und Claudia Neugebauer (beide PHZH). Finanziert wurde die Studie durch das Institut für Mehrsprachigkeit der Universität und PH Freiburg i.Ue., swissuniversities (PgB P9), die PHTG (Forschungsabteilung) und die PHZH.

Der Schluss­bericht ist hier frei zugänglich.