Mobilitätssemester in Ghana

Mobilitätssemester in Ghana

Angela Neuenschwander hat während dem Bachelor-Studium zur Primarlehrerin ein Mobilitätssemester an der University of Cape Coast in Ghana absolviert. Von ihrer Motivation, die sie zu diesem Schritt bewogen hat, ihren Erfahrungen an der Partneruniversität und ihrem Alltag in einem fremden Land erzählt sie uns im Interview.

Frau Neuenschwander, warum haben Sie sich entschieden ein Mobilitätssemester zu absolvieren?

Dank meines vorherigen Berufes als Flight Attendant bei Edelweiss Air und den damit verbundenen Reisen in ferne Länder, habe ich schon einiges von der Welt zu Gesicht bekommen. Durch diese unvergesslichen Erfahrungen habe ich gemerkt, dass ich überall auf der Welt zu Hause sein kann und interessierte mich schon immer dafür eine längere Zeit im Ausland zu leben.

Aus diesem Grund habe ich mich bereits bei der Anmeldung für die PHTG über die Möglichkeiten eines Auslandsemesters informiert. Dank der informativen Website war mir schnell klar, dass diese ein überschaubares, aber äusserst attraktives Angebot an Partneruniversitäten auf der ganzen Welt, mehrheitlich aber in Europa, vorzuweisen hat.

Bei der ersten Information durch Frau Gerit Jaritz, Beauftragte für Mobilität und internationale Beziehungen, zu den Möglichkeiten eines Auslandsemesters, bestätigte sich mein Interesse und ich war mir zu diesem Zeitpunkt schon sicher, dass ich mich im 3. Studiensemester für einen Platz an einer Partner-Universität bewerben werde. Dass ich schlussendlich in Westafrika landen würde, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht.

Wie sind Sie bei der Auswahl des Landes vorgegangen?

Das ist eine ziemlich lustige Geschichte, eigentlich ging ich zu Beginn nach dem Ausschlussverfahren vor: Mir war von Anfang an klar, dass mich ein Auslandsemester im Herbst nicht in den Norden ziehen würde und asiatische Grossstädte haben mich noch nie wirklich angesprochen, da ich zu naturverbunden bin, und somit blieben Israel und Spanien als mögliche Destinationen übrig. Als ich dann die PHTG Homepage aufsuchte, um nach Informationen für das Bewerbungsverfahren zu suchen, entdeckte ich jedoch eine neue Destination: University of Cape Coast, Ghana (UCC). Neugierig, wie ich immer bin, begann ich zu googlen und zu recherchieren. Das Internet und die Website des «Centre for International Education» (CIE) der UCC lieferte jedoch nur spärliche Informationen. Nichtsdestotrotz liess mich diese Neugierde nicht los und ich bewarb mich schlussendlich in erster Linie um einen Platz in Granada und gab als zweite Priorität Cape Coast an. Granada schien mir hierbei die sicherere Wahl, da ich mich dann in Europa wissen würde, aber der Gedanke eines Abenteuers in Westafrika wurde von Tag zu Tag reizvoller.

Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich entscheiden sollte. Nach etlichen Gesprächen mit Freunden und meiner Familie, kristallisierten sich verschiedenste Positionen heraus. Meine Eltern waren strikt gegen Westafrika, da sie sich um mich sorgten. Als ein traditionelles Schweizer Bauern-Ehepaar waren sie nur selten im Ausland und verstehen darum mein Fernweh nur bedingt. Auch der Rest meiner Familie teilte dieselbe Position.

Meine Freunde wiederum bestärkten mich, die Herausforderung in Westafrika in Angriff zu nehmen. Somit war ich hin- und hergerissen zwischen zwei verschiedenen Polen, welche meine Entscheidung keinesfalls erleichterten. Zudem wusste ich, dass ich die erste Austauschstudentin an der UCC sein würde, was natürlich mit mehr Aufwand und mehr Ungewissheit verbunden sein würde, als die bekannten und sich bereits bewährten Angebote.

Schlussendlich waren es die Dozentinnen Annette Brechbühl und Gerit Jaritz sowie mein Bauchgefühl, das mich dazu bewog, mich letztendlich auf dieses Abenteuer einzulassen.

Wie lief der Bewerbungsprozess ab?

Zuallererst schrieb ich ein Bewerbungsschreiben an Frau Jaritz, Beauftragte für Mobilität und internationale Beziehungen, mit den beiden Wunschdestinationen Granada und Cape Coast und sie teilte mich daraufhin bereits in das Diplomprojekt «Mobilitätssemester» ein. Als ich mich dann schlussendlich für Cape Coast entschieden hatte, startete das Zusammensuchen von Informationen und etliche Mails mit Isaac, dem Mitarbeiter des «Centre for International Education» der UCC.

Da es keine Referenzen und Erfahrungen von vorherigen Austauschstudierenden gab und ich ja die allererste Schweizer Austauschstudentin überhaupt an der UCC bin, mussten zunächst per Mail folgende Abklärungen gemacht werden: Welche Kurse bietet die UCC an? Kann ich das QP vor oder nach meinem Semester machen? Wann finden die Prüfungen statt? Wo werde ich wohnen?

Zwischenzeitlich zweifelte ich auch an meiner Entscheidung, aber der ganze Aufwand hat sich definitiv gelohnt, wie sich herausgestellt hatte.

Im Frühling erhielt ich ein umfangreiches Dokument mit 150 Seiten an Kursangeboten, welches ich durchackerte, um passende Module zu finden, welche den Richtlinien der PH entsprachen. Nach einem weiteren Gespräch mit Frau Jaritz betreffend der Kursauswahl und dem Thema für die Diplomarbeit, legte ich mich in einem ersten «Learning Agreement» für vier Kurse fest, die insgesamt 24 Credits umfassten. Mit dieser Auswahl und den bereits vorbereiteten Dokumenten (etliche ausgefüllte Formulare, Motivationsschreiben, CV, Referenzschreiben eines Dozierenden, Bankauszug, usw.) bewarb ich mich dann anfangs Sommer offiziell an der UCC.

Wie verlief die Auswahl der Kurse/Module, die sie an der Gasthochschule belegten?

Wie schon angesprochen, startete ich mit der Kursauswahl bereits in der Schweiz, auch wenn man damit rechnen muss, dass die Modulwahl erst nach der Ankunft definitv wird. In meinem Fall musste für 2 von 4 Modulen eine Alternative gesucht werden. Vor Ort entdeckte ich dann jedoch das spannenden Angebot des «Department for African Studies» und nach Rücksprache mit Frau Jaritz bekam ich grünes Licht, zwei Kurse von dort als Grundlage für meine Diplomarbeit im Bereich der Sexualpädagogik in mein Learning Agreement zu integrieren.

Welche Kosten entstehen bei einem Mobilitätssemester?

Ich kann natürlich nur von Ghana sprechen, aber Ghana ist verglichen zur Schweiz natürlich ein Schnäppchen. Natürlich summierten sich Kosten für den Flug, für das Visum, etliche Impfungen und Medikamente, aber trotzdem bleibt Ghana eine günstige Destination. Ein negativer Punkt ist jedoch der Fakt, dass man keinen Beitrag des Erasmus-Fonds erhält, was bei Austauschsemestern in Europa der Fall ist.

Die Unterkunft wird durch das CIE organisiert und ich wohnte in einem 20m2 grossen Zimmer mit Moa, meinem schwedischen Zimmergspändli. Unser vorübergehendes Zuhause befand sich in einem Studentenwohnheim inmitten des Campus. Für dieses Zimmer zahlte ich vorab USD 800 für einen Aufenthalt von 14 Wochen.

Frau Neuenschwander, was haben Sie in der Freizeit unternommen, wenn Sie keine Vorlesungen an der Gasthochschule hatten?

Da ich nur 4 Kurse (24 ECTS) absolvierte, war mein Stundenplan ziemlich überschaubar. Bereits am Mittwochnachmittag hatte ich meine letzte Vorlesung und damit immer sehr lange Wochenenden. Diese verbrachte ich entweder in Cape Coast oder ich machte mich auf Erkundungstour in all die anderen tollen Gebiete, die Ghana zu bieten hat.

Wanderungen zu Wasserfällen über die Grenze zu Togo, Sightseeing in Accra, Sonnenbaden und schwimmen an der atemberaubenden Goldküste (früherer Name von Ghana), besteigen des höchsten Berges Ghanas «Afadja» (mit ca. 800 m.ü.M. kann man zwar nicht wirklich von besteigen sprechen), Retten von Schildkröteneiern usw.

Jeweils montags kümmerte ich mich um den Kompensationsauftrag im Rahmen der Module TTG/BG. Da die UCC keine ähnlichen Module in diesen Bereichen anbietet, musste ich alternativ nach einer künstlerischen Tätigkeit suchen, welcher ich als Kompensation mit einem Arbeitsaufwand von total zwei Wochen nachgehen konnte. Ich entschied mich, das Handwerk des Batikens zu erlernen. Somit fand man mich immer montags im Atelier von «Bless», einem äusserst netten Rastafari.

Dienstags wiederum ging ich meiner zweiten Passion nach, dem Unterrichten. Nach meiner Vorlesung am frühen Morgen, welche von 6:30-8:30 Uhr stattfand, ging ich jeweils direkt in eine Primarschule im Nachbardorf «Abura», wo ich über alle Klassen hinweg freiwillig als Unterrichtsassistentin fungierte.

Alle guten Dinge sind drei, das Kochen von lokalen Gerichten mit Freunden genoss ich ebenfalls sehr.

Was sehen Sie als grösste Herausforderung an Ihrer Destination an?

Da muss ich nicht lange zögern, definitiv die kulturellen Unterschiede, wie man sich vorstellen kann. Dies war vor allem zu Beginn herausfordernd, hat sich aber sehr schnell gelegt. Vielmehr möchte ich ein viel grösseres Problem ansprechen: die «Überpriviligiertheit» und Behandlung der Europäer machte mir am meisten zu schaffen. Zum Beispiel hielten Taxifahrer an und warfen die «locals» raus, um uns mitzunehmen, da sie sich ein besseres Geschäft erhofften. Einige Mitstudierende wollten nur Selfies mit mir machen um diese auf ihren Sozialen Medien zu veröffentlichen und damit zu prahlen, dass sie weisse Freunde haben. Als ich nachfragte, wo sich eine Toilette befindet, gab mir ein Professor den Schlüssel für die Professoren-Toilette und alle Studierenden flippten aus, was ich vollkommen nachvollziehen konnte. Viele Frauen wollten ständig meine Haare anfassen, ein Grund, weshalb ich mir Zöpfe flechten liess. Dies sind nur einige Beispiele von vielen merkwürdigen Situationen, welche sich lediglich aufgrund der unterschiedlichen Hautfarbe ergaben.

Manchmal fühlte ich mich wirklich behandelt, wie eine Königin, was natürlich in manchen Situationen auch Vorteile mit sich brachte, gleichzeitig brachte es mich oft aber auch in einen melancholischen Gemütszustand. Etliche Diskussionen mit einheimischen Freunden stellten sich als äusserst aufschlussreich aber auch traurig heraus, da in der Gesellschaft einfach immer noch der fälschliche Gedanke verankert ist, dass zu uns «Weissen» aufgeschaut werden sollte. Ich versuchte dann meine Gesprächspartner von dieser Einstellung abzubringen und erzählte Ihnen, dass auch wir in Europa mit äusserst gravierenden Missständen zu kämpfen haben.

Wo liegt für Sie persönlich der grösste Gewinn bei der Absolvierung eines Mobilitätssemesters?

Ich gewann durch das Mobilitätssemester eine neue Perspektive auf die Menschheit und mein eigenes Leben, sowie die Prioritäten, welche man je nach eigener Herkunft anders zu setzen scheint. Ausserdem kann ich nun viele unglaublich tolle Menschen aus der ganzen Welt zu meinem neuen Freundeskreis zählen, nicht nur Einheimische aus Ghana, sondern auch innerhalb der «International Students» haben sich enge Freundschaften entwickelt.

Eindeutig habe ich durch diese Erfahrung für mich als zukünftige Lehrperson aber auch die Vorteile des Schweizer Bildungssystems und den damit verbundenen Rückhalt durch den Staat auf eine ganz neue Art und Weise schätzen gelernt. Vor allem die grosszügige finanzielle Unterstützung von Schulen, die wir manchmal als selbstverständlich ansehen, ermöglicht uns als Lehrpersonen einen abwechslungsreichen und interaktiven Unterricht zu gewährleisten. Dies erlebe ich hier schon ganz anders. Schulen erhalten hier umgerechnet meist nur ca. 300 CHF für ein ganzes Schuljahr vom Staat und so wird oft von Lehrpersonen erwartet, dass sie ihre Unterrichtsmaterialien selbst organisieren und bezahlen. Ein anderer Aspekt ist die Handhabung von Lob und Tadel hier in Ghana, die ich bei meinen wöchentlichen Unterrichtseinsätzen in einer Dorfschule hautnah erlebe sowie die Erkenntnis, dass für mich persönlich die Lehrpersonen-Schüler-Beziehung eine der wichtigsten Komponenten für erfolgreiches Lernen ist.

Und als Letztes möchte ich noch die unglaubliche Neugierde und das unbegrenzte Interesse erwähnen, dass die Kinder hier einem neuen und spannenden Lerngegenstand entgegenbringen. Man spürt hier einfach, dass sie Bildung in der Regel nicht als selbstverständlich ansehen und das Engagement der Lehrpersonen zu schätzen wissen. Ein Stück dieser Mentalität in mein eigenes Klassenzimmer einzubringen und meinen zukünftigen Schülerinnen und Schüler aufzuzeigen wie privilegiert sie sind, erscheint mir aufgrund meiner Erfahrungen hier ebenfalls zentral.

Was können Sie Studierenden raten, die mit dem Gedanken spielen, ein Mobilitätssemester zu absolvieren oder nicht?

Ich kann allen raten, verlasst euch auf euer Bauchgefühl und wendet euch an eure Vorgänger/innen um hautnahe Informationen zu erhalten. Ich hätte mir von einem Jahr nur zu stark den Rat von jemandem gewünscht, der schon an der UCC studiert hat.

«Schlussendlich bereut man nur die Möglichkeiten, welche man nicht beim Schopf gepackt hat.» Also wage Dich aus Deiner Komfortzone heraus und lasse Dich auf etwas Neues, Unbekanntes und vielleicht auch Herausforderndes ein.

Medaase,
Adwoa
(mein lokaler Name, da ich an einem Montag geboren wurde)

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