Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Häufige Fragen (FAQ)

Die AG Gleichstellung der PHTG erreichen wiederkehrend sowohl allgemeine als auch PHTG-spezifische Fragen zu Gender, Gleichstellung und Geschlechterverhältnissen.
In der vorliegenden Rubrik werden diese häufig gestellten Fragen (Frequently Asked Questions, FAQ) und ihre Antworten zu Themen im Bereich Gleichstellung aufgeführt.

Was ist der Unterschied zwischen «Gender» und dem biologischen Geschlecht (sex)?

In der Linguistik bezeichnet das Wort «gender» zunächst das grammatikalische Geschlecht, also die Unterscheidung zwischen weiblich, männlich und sächlich (Paulussen, 2012). Im wissenschaftlichen Kontext wird Gender als soziales Geschlecht in Abgrenzung zum biologischen Geschlecht (sex) verstanden (Paulussen, 2012). Dabei unterliegt das soziale Geschlecht gesellschaftlichen Zuschreibungen, die sich je nach Kultur und Epoche durch unterschiedliche Rollen- und Merkmalskataloge für das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht auszeichnen (Frey Steffen, 2017).

Seit den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts wird die Trennung von Sex und Gender kritisch hinterfragt, da auch biologische Zuschreibungen und Kategorisierungen durch soziale Prozesse gesteuert werden (Abdul-Hussain, 2014; in Anlehnung an Butler, 1993).

Aufgrund visueller, hormoneller und chromosomaler Untersuchungen existiert keine biologische und in diesem Sinne eindeutige Geschlechtsdefinition (Abdul-Hussain, 2014). Es kann daher (auch) von einer biologischen Diversität entlang eines Kontinuums ausgegangen werden (Abdul-Hussain, 2014).

Quellenverzeichnis:

Was heisst eigentlich «Gleichstellung der Geschlechter»?

Die Forderung nach Gleichstellung von Frauen und Männern, wie sie auch im Gleichstellungsgesetz (Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann SR 151.1 aus dem Jahr 1995) festgehalten ist, beruht auf der Überzeugung der Gleichwertigkeit der Geschlechter. Allen Individuen werden unabhängig von ihrem Geschlecht gleiche Chancen und Rechte zugestanden.
Das Gleichstellungsgesetz sieht darüber hinaus vor, dass…

  • ein Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz besteht;
  • ein Schutz vor Rachekündigungen (Kündigung als Reaktion auf eine interne Beschwerde oder eine Diskriminierungsklage) gegeben ist;
  • Verfahren für Prozesse im Zusammenhang mit Streitigkeiten über Diskriminierungen im Erwerbsleben kostenlos sind;
  • Beweislasterleichterungen möglich sind;
  • Verbandsklagen eingereicht werden können (Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann, o.J.).

Die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter ist in der Schweiz gegeben, da das Recht geschlechtsneutral ausgestaltet ist und es keine Unterscheidung zwischen Menschen unterschiedlichen Geschlechts gibt (Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 1999). Das Recht ist daher geschlechtsblind (Aeberhard, 2017).
Die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter ist nach wie vor nicht erreicht. Wenn sich auch stereotype Rollenvorstellungen teilweise aufweichen, gibt es doch beispielsweise Nachholbedarf hinsichtlich der politischen und wirtschaftlichen Partizipation oder der Lohndiskriminierung von Frauen und der Teilhabe von Männern an der Haus- und Betreuungsarbeit (Durrer, 2015).
Die Pädagogische Hochschule Thurgau verwendet bewusst die neutrale Formulierung «Gleichstellung der Geschlechter». Hierdurch wird ein drittes Geschlecht nicht kategorisch ausgeschlossen.

Quellenverzeichnis:

Ist ein Ungleichgewicht im Geschlechterverhältnis gleichzusetzen mit fehlender Gleichstellung?

Im Hinblick auf das Ungleichgewicht des Geschlechterverhältnisses «Mann-Frau» bei angehenden und ausübenden Lehrpersonen muss festgehalten werden, dass dies nicht mit fehlender Gleichstellung gleichgesetzt werden darf. Gleichstellungsanliegen zu postulieren und auch einzuhalten, hat per se nichts mit einem Geschlechterverhältnis zu tun. Als Folge einer fehlenden Chancengleichheit können sich hingegen unausgewogene Geschlechterverhältnisse einstellen.
Die Regelung der PHTG zur Gleichstellung der Geschlechter, welche sich auf das Gleichstellungsgesetz bezieht, kann auch dann umgesetzt werden, wenn der Frauen- und Männeranteil nicht ausgewogen ist. Konkret bedeutet dies, dass (1) sämtliche Mitarbeitenden an der PHTG unabhängig von ihrem Geschlecht die gleichen Rechte und Chancen haben und dass niemand aufgrund seines Geschlechts diskriminiert wird und (2) dass in allen Bereichen, Prozessen und Produkten der PHTG gleichstellungsrelevante Anliegen bewusst berücksichtigt werden und die Sensibilität bzgl. Fragen der Gleichstellung bei Mitarbeitenden und Studierenden gleichermassen gefördert wird.

Gibt es Geschlechterunterschiede in den Bildungsstatistiken?

Geschlechterunterschiede in der Bildungsstatistik sind bekannt: gemäss Stamm (2019) gilt allgemein, dass je geringer qualifizierend die Schulform, desto höher der Knabenanteil. Des Weiteren gelten Buben häufiger als Mädchen zu den Schulschwänzern und Schulabbrechern, werden häufiger Sonder- und Sprachheilschulen zugewiesen und bei der Einschulung häufiger zurückgestellt (Helsper und Hummrich, 2005), sie sind in Gymnasien unter- und in Realschulen überrepräsentiert (Stamm, 2019). Hinsichtlich der gesamten Schulzeit zeigen Jungen höhere Klassenwiederholungsraten (Bless, Bonvin und Schüpbach, 2004; Stürzer, 2005; Budde, 2008) und erhalten beim Übergang in die Sekundarstufe I bei gleicher Leistung wie die Mädchen negativere Leistungseinschätzungen (Lehmann, Peuk und Gänssfuss, 1997). Diese Befunde können nicht auf Unterschiede in den kognitiven Fähigkeiten von Knaben und Mädchen zurückgebunden werden (Sievert und Kröhnert, 2015). Und Hyde (2005) stellt fest, dass die Unterschiede zwischen den Geschlechtern geringer sind als innerhalb der Geschlechter. Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass beispielsweise die Jungen sowohl im Bereich der unteren als auch der oberen Kompetenzstufen in Schulleistungsstudien überrepräsentiert sind (Pech, 2014; in Anlehnung an Budde, 2008).
Hinsichtlich der Leseleistungen ist bekannt, dass die Mädchen bessere Leistungen als Buben erbringen, während die Knaben stärkere Mathematikkompetenzen vorweisen (Stamm, 2019), wobei im Erwachsenenalter die Unterschiede schwinden. Zudem zeigt eine neuere Studie, dass es auf die Textsorte ankommt (Freuler, 2017). Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Leistungsunterschiede zwischen Mädchen und Knaben in den letzten 30 Jahren stabil geblieben sind (Behnke, 2015) und Metaanalysen zeigen, dass seit 1928 die Mädchen durchschnittlich bessere schulische und akademische Leistungen erbrachten als die Jungen (Neugebauer, 2011), ihre guten Bildungsabschlüsse aber erst in jüngerer Zeit auch in Bildungserfolge umgesetzt werden (Behnke, 2015). Dementsprechend erscheinen Jungen möglicherweise deutlicher als sogenannte Bildungsverlierer und die relativen Bildungserfolge des weiblichen Geschlechts werden dann in Bildungsmisserfolge des männlichen Geschlechts uminterpretiert (Behnke, 2015; in Anlehnung an Neugebauer, 2011).
Verlässt man die Schullaufbahn, zeichnet sich jedoch ein anderes Bild: Von den unter 20jährigen Frauen verfügen zwischen 7 und 12 Prozent über keinen allgemeinbildenden Abschluss, während es bei den Männern lediglich zwischen 5 und 9 Prozent sind (Stamm, 2019). Zudem nehmen Frauen nur in eingeschränktem Masse berufliche Spitzenpositionen ein und ihre Saläre sind immer noch wesentlich tiefer als diejenigen von Männern (Stamm, 2019).

Literaturverzeichnis:

  • Behnke, K. (2015). Feminisierung im Schulbereich. Zusammenfassung des Vortrags bei der GEW-Landesfrauenkonferenz 2015, Bochum.
  • Bless, G., Bonvin, P. und Schüpbach, M. (2004). Klassenwiederholung. Bern.
  • Budde, J. (2008). Bildungs(miss)erfolge von Jungen und Berufswahlverhalten von Jungen/männlichen Jugendlichen. Bonn, Berlin: BMBF.
  • Helsper, W. und Hummrich, M. (2005). Erfolg und Scheitern in der Schulkarriere. Ausmass, Erklärungen, biografische Auswirkungen und Reformvorschläge. In: Sachverständigenkommission Zwölfter Kinder- und Jugendbericht (Hrsg.): Kompetenzerwerb von Kindern und Jugendlichen im Schulalter. München. 95–173.
  • Freuler, R. (26. Februar, 2017). Buben lesen anders. NZZ am Sonntag, 53.
  • Hyde, J. S. (2005). The gender similarities hypothesis. American Psychologist, 60(6), 581–592.
  • Lehmann, R., Peuk, R. und Gänssfuss, R. (1997). Aspekte der Lernausgangslage von Schülerinnen und Schülern der 5. Klassen an Hamburger Schulen. Hamburg.
  • Neugebauer, M. (2011). Werden Jungen von Lehrerinnen bei den Übergangsempfehlungen für das Gymnasium benachteiligt? Eine Analyse auf Basis der IGLU-Daten. In: Hadjar, A. (Hrsg.). Geschlechtsspezifische Bildungsungleichheiten. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 235–260.
  • Pech, D. (2014). Sammelrezension: Jungen, Probleme, Männer, Krise, Pädagogik. Eine Aneinanderreihung. In Budde, J., Thon, C. und Walgenbach, K. (Hrsg.). Jahrbuch Frauen- und Geschlechterforschung in der Erziehungswissenschaft – Männlichkeiten. Geschlechterkonstruktionen in pädagogischen Institutionen. Opladen, Berlin & Toronto: Verlag Barbara Budrich.
  • Sievert, S. und Kröhnert, S. (2015). Schwach im Abschluss. Warum Buben in der Bildung hinter Mädchen zurückfallen – und was dagegen zu tun wäre. Berlin: Berlin-Institut.
  • Stamm, M. (2019). Die Buben als «Bildungsverlierer»? Warum Initiativen in Kita und Kindergarten ansetzen müssen. Dossier 19/2. Bern: Forschungsinstitut Swiss Education.
  • Stürzer, M. (Hrsg.) (2005). Bildung, Ausbildung und Weiterbildung. In Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 1. Datenreport zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland 2005, 17–91.
Was sind mögliche Ursachen für Geschlechterunterschiede in den Bildungsstatistiken?

Die Ursachen für die in den Bildungsstatistiken erkennbaren Unterschiede sind vornehmlich in den Persönlichkeitsmerkmalen der Schülerinnen und Schüler zu suchen. Mädchen erleben die Schule als mehrheitlich positiver als die Knaben, sie sind motivierter zu lernen, investieren mehr Zeit in schulische Dinge und stören seltener den Unterricht (Stamm, 2019). Behnke (2015; in Anlehnung an Hyde und Mertz, 2009) hält fest, dass Mädchen im Vergleich zu Knaben im Durchschnitt eine höhere Anstrengungs- und Hemmungskontrolle und ein höheres Konformitätsbedürfnis vorweisen, was sie u.a. zu besserer Konzentration und Impulshemmung befähigt. Diese Verhaltensunterschiede werden als Hauptgrund verstanden, weshalb Buben und Mädchen unterschiedliche Noten erhalten – sowohl von Lehrerinnen als auch von Lehrern (Stamm, 2019). Zeigen die Knaben hingegen die erwähnten typischen Mädcheneigenschaften, so werden sie auch besser bewertet (Helbig, 2012). Kurz: «Dass Buben schon beim Schuleintritt häufiger zurückgestellt werden, schlechtere Noten bekommen, seltener den Übertritt ins Gymnasium schaffen und anschliessend weniger gute Abschlüsse erzielen, liegt in ihrem Verhalten. [...]. Durchschnittlich sind sie nicht weniger intelligent als Mädchen, aber körperlich aktiver und auffälliger, passen im Unterricht oft weniger auf, machen seltener die Hausaufgaben, lesen nicht so viel in ihrer Freizeit.» (Stamm, 2019, S. 28)
Zwei weitere Ursachen werden einerseits in einem medienvermittelten Männlichkeitskult mit Macho- und Draufgängertum gesehen, welcher mit einer Anti-Lerner-Kultur einhergeht (Martino, 1999; Francis, 1999; Renold, 2001; Frosh, Phoenix und Pattman, 2002), und anderseits in einem verminderten Ansehen für Knaben innerhalb der Peergruppe, wenn sie in der Schule gut mitarbeiten (Stamm, 2019). Bei Mädchen funktioniert es anders: Wenn sie im Unterricht stören, machen sie sich unbeliebt (Stamm, 2019).
Neben den Persönlichkeitsmerkmalen spielen auch die Rahmenbedingungen des Unterrichts eine Rolle. Dabei sind aber weniger das Geschlecht der Lehrpersonen oder eine schlechte Unterrichtsqualität als Ursachen zentral (Budde und Mammes, 2009), sondern viel eher schulorganisatorische, kulturelle und lehrmittelbasierte Merkmale (Stamm, 2019). Legt eine Schule in ihrer Schulkultur beispielsweise Wert auf soziale Kompetenzen oder eine geschlechtergerechte Ausrichtung, so entstehen für jene Jugendlichen (Mädchen und Knaben) Schwierigkeiten, die diesen Kompetenzen oppositionell gegenüberstehen oder die sich an einem tradierten männlichen Habitus als Abbild gesellschaftlicher Strukturen orientieren (Budde, 2011).
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass hinsichtlich eines Mangels an Bildungserfolg und Bildungsfortschritt bei Knaben soziale, kulturelle, psychologische und ökonomische Kontexte von Schulerfolg berücksichtigt werden müssen (Stamm, 2019), der hohe Anteil von Frauen unter den im Bildungssystem Beschäftigten hingegen nicht zu einer Benachteiligung von Jungen führt (Hannover und Kessels, 2011). Stamm (2019) nimmt zudem an, dass auch Bildungsreformen den fehlenden Bildungserfolg der Knaben mitprovoziert haben, indem über Veränderungen in den Lehrplänen eine verstärkte Betonung der Sprachfähigkeiten, der Kommunikation oder der Teamarbeit, die allesamt eher dem weiblichen Geschlecht zugesprochen werden, stattgefunden hat.

Literaturverzeichnis:

  • Behnke, K. (2015). Feminisierung im Schulbereich. Zusammenfassung des Vortrags bei der GEW-Landesfrauenkonferenz 2015, Bochum.
  • Budde, J. (2011). „Und der Valentin dürfte auf alle Fälle bisschen schon auf Kontra aus sein …“ – Bildungsungleichheiten als kulturelle Passungsprobleme zwischen Habitus und Schulkultur? Bulletin: Texte – Zentrum für Transdisziplinäre Geschlechterstudien, 37, 8–­19.
  • Budde, J. und Mammes, I. (2009). Jungenforschung empirisch: Zwischen Schule, männlichem Habitus und Peerkultur. VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Francis, B. (1999). Lads, lasses and (new) Labour: 14-16-year-old students’ responses to the ‘laddish behaviour and boys’ underachievement’ debate. British Journal of Sociology of Education, 20(3), 354–371.
  • Frosh, S., Phoenix, A. und Pattman, R. (2002). Young Masculinities: Understanding boys in contemporary society. London.
  • Hannover, B. und Kessels, U. (2011). Sind Jungen die neuen Bildungsverlierer? Empirische Evidenz für Geschlechterdisparitäten zuungunsten von Jungen und Erklärungsansätze. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 25(2), 89–103.
  • Helbig, M. (2012). Sind Mädchen besser? Der Wandel des geschlechtsspezifischen Bildungserfolgs in Deutschland. Frankfurt am Main: Campus.
  • Hyde, J. S. und Mertz, J. E. (2009). Gender, culture, and mathematics performance. PNAS, 106(22), 8801-8807.
  • Martino, W. (1999). ‚Cool boys’, ‚party animals’, ‚squids’ and ‚poofters’: interrogating the dynamics and politics of adolescent masculinities in school. British Journal of Sociology of Education, 20(2), 240–263.
  • Renold, E. (2001). Learning the ‘Hard’ Way: boys, hegemonic masculinity and the negation of learner identities in the primary school. British Journal of Sociology of Education, 22(3), 368–385.
  • Stamm, M. (2019). Die Buben als «Bildungsverlierer»? Warum Initiativen in Kita und Kindergarten ansetzen müssen. Dossier 19/2. Bern: Forschungsinstitut Swiss Education.
  • Stürzer, M. (Hrsg.) (2005): Bildung, Ausbildung und Weiterbildung. In Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 1. Datenreport zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland 2005, 17–91.
«Feminisierung des Lehrberufs» – was ist das?

Mit der «Feminisierung des Lehrberufs» ist gemeint, dass vermehrt Frauen den Lehrberuf ergreifen und immer weniger Lehrer in den Volksschulen anzutreffen sind. Neben dieser «numerischen Feminisierung» wird gemäss Rieske (2011) die «kulturelle Feminisierung» der Bildung angeführt. Diese feminisierte Schulkultur soll moderne Unterrichtsmethoden pflegen, die den Mädchen eher entsprechen. Hierzu gibt es keine empirischen Forschungsbefunde, die das belegen könnten.
Die sogenannte «Feminisierung» ist allerdings nicht nur in den Lehrberufen beobachtbar, sondern auch in anderen Studiengängen, z.B. der Veterinärmedizin und in der Theologie. Von der anderen Seite her betrachtet, haben die Ausbildungsstätten für Ingenieurwissenschaften viele Mittel in die Anwerbung von Frauen investiert, bisher mit bescheidenem Erfolg.
Die mittlerweile häufiger auftretenden relativen Bildungserfolge der Mädchen werden uminterpretiert in Bildungsmisserfolge der Jungen (Neugebauer, 2011). Die angeführte Begründung für die Bildungsmisserfolge ist dann gelegentlich die numerische und kulturelle Feminisierung der Bildung, was nicht haltbar ist, da Mädchen schon vor rund 90 Jahren durchschnittlich bessere schulische und akademische Leistungen erbrachten als die Jungen (Neugebauer, 2011), also in Zeiten, in denen mehrheitlich Männer unterrichteten. Mit Blick auf den Bildungserfolg von Knaben kann man somit sagen, dass sich Lehrer nicht positiver auswirken als Lehrerinnen. Oder mit anderen Worten: Das Geschlecht der Lehrperson beeinflusst den Bildungserfolg weder von Jungen noch von Mädchen (Helbig, 2010a). Auch die Lust der Jungen, Regeln zu übertreten und einen starken Bewegungsdrang zu haben, soll mit einer «feminisierten Schulkultur» unvereinbar sein (Rieske, 2011). Bei diesem Argument wird ausgeblendet, dass nicht alle Jungen gerne und chronisch Regeln übertreten, Raufen möchten und einen starken Bewegungsdrang haben. Der realen Vielfalt menschlichen Verhaltens wird hier nicht Rechnung getragen (Blasse, 2011).
Insgesamt können bei einem professionellen Verständnis des Lehrberufs mit einer geschlechtersensiblen Pädagogik (Stamm, 2019) keine Probleme bei einem zahlenmässigen Ungleichgewicht der Geschlechter erkannt werden (z.B. keine besseren Mathematik- oder Leseleistungen bei Jungen, die einen Lehrer und keine Lehrerin haben (Helbig, 2010b)). Für mehr Identifikationsmöglichkeiten bei den Kindern und hinsichtlich einer Vielfalt im Schulteam und an der PHTG ist es hingegen bedeutsam, (angehende) Lehrerinnen und Lehrer auf möglichst allen Schulstufen zu haben.

Literaturverzeichnis:

  • Blasse, N. (2011). Bildung von Geschlecht: Positionen der GEW zur Debatte um Jungenbenachteiligung und Feminisierung des Bildungssystems. Bulletin: Texte – Zentrum für Transdisziplinäre Geschlechterstudien, 37, 115-122.
  • Helbig, M. (2010a). Lehrerinnen trifft keine Schuld an der Schulkrise der Jungen. WZBrief Bildung – Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, 1–6.
  • Helbig, M. (2010b). Sind Lehrerinnen für den geringeren Schulerfolg von Jungen verantwortlich? Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 62, 93–111.
  • Neugebauer, M. (2011). Werden Jungen von Lehrerinnen bei den Übergangsempfehlungen für das Gymnasium benachteiligt? Eine Analyse auf Basis der IGLU-Daten. In: Hadjar, A. (Hrsg.). Geschlechtsspezifische Bildungsungleichheiten. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 235–260.
  • Rieske, T. V. (2011). Bildung von Geschlecht. Zur Diskussion um Jungenbenachteiligung und Feminisierung in deutschen Bildungsinstitutionen, im Auftrag der Max-Traeger-Stiftung.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Feminisierung des Lehrberufs und einem Mangel an Lehrpersonen?

Der gelegentlich postulierte Zusammenhang zwischen der Feminisierung und einem Mangel an Lehrpersonen beruht auf der Annahme, dass Frauen im Vergleich zu Männern grundsätzlich Teilzeitstellen wählen und dass für jeden vollzeitarbeitenden Mann, der den Schuldienst quittiert, zwei oder mehr Frauen mit einem Teilzeitpensum nachrücken.
Schweizweit betrachtet ist der Anteil an Vollzeitstellen auf 29% gesunken, was, gemäss den Aussagen des Lehrerverbands, nicht nur mit einer Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern vor allem mit den Belastungen im Beruf zusammenhängt (Briner, 2019). Wenn dieser Trend anhält und in Kombination mit steigenden Lernendenzahlen betrachtet wird, befürchtet der Lehrerverband einen Mangel an Lehrpersonen in der Volksschule (Briner, 2019). Für alle Kantone gilt, dass an der Volksschule häufiger Männer Vollzeit arbeiten als Frauen. Einzige Ausnahme zu dieser Regel bildet die Primarstufe, wo die Frauen in acht Kantonen, darunter auch im Kanton Thurgau, häufiger vollzeiterwerbstätig sind als die Männer (Bundesamt für Statistik, 2016).
Die Ursachen für einen Mangel an Lehrpersonen ausschliesslich bei teilzeitarbeitenden Frauen zu suchen, die vollzeitarbeitende Männer ersetzen, greift zu kurz. Neben den Belastungen und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, welche zu Teilzeitarbeitsmodellen (bei Männern und Frauen) führen und dadurch einen postulierten Mangel an Lehrpersonen begünstigen, zeigt es sich, dass die demographische Entwicklung eines Landes oder Kantons, die Wirtschaftslage, die Klassengrössen, die Pensionierungen, die Abwanderung in andere Kantone, das Prestige des Lehrberufs und weitere Faktoren oder Rahmenbedingungen als direkte oder indirekte Ursachen für einen Lehrpersonenmangel angeführt werden können (Graf, Oesch, Gehrig und Künzi, 2010).

Quellenverzeichnis:

 

Welche Ziele werden an der PHTG im Bereich Gleichstellung der Geschlechter verfolgt?

Die PHTG fördert in ihrem Lehr-, Lern- und Arbeitsalltag die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter. Auf der Grundlage dieses Gleichstellungsgrundsatzes verfolgt die PHTG das übergeordnete Gleichstellungsziel, dass alle Angehörigen der Hochschule unabhängig von ihrem Geschlecht die gleichen Rechte und Chancen haben und niemand aufgrund des Geschlechts diskriminiert wird. Gleichstellungsrelevante Anliegen und Fragen der Geschlechtergerechtigkeit finden somit in allen Bereichen, Prozessen und Angeboten der PHTG Berücksichtigung. Die PHTG fördert die Sensibilität für Fragen der tatsächlichen Gleichstellung bei Studierenden und Mitarbeitenden gleichermassen. Sie versteht sich als gendersensible Hochschule.
Ansprechperson für alle Angehörigen der PHTG ist der oder die Beauftragte für Gleichstellung bzw. die Mitglieder der AG Gleichstellung. Die gesetzten Ziele werden durch die Hochschulleitung, den Beauftragten für Gleichstellung und die AG Gleichstellung regelmässig überprüft.

Quellenverzeichnis:

Welche Aktivitäten unternimmt die PHTG, um die Ziele im Bereich Gleichstellung der Geschlechter zu adressieren?

Die PHTG definiert in der Regelung zur Gleichstellung der Geschlechter Handlungsfelder, in denen sie mit konkreten Massnahmen einen Beitrag zur Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter leisten kann:

  • Streben nach Ausgewogenheit des Geschlechterverhältnisses in allen Arbeitsbereichen, Gremien und Kommissionen; damit verbunden sind (a) geschlechtergerechte Stellenausschreibungen und (b) Neubesetzungen von Stellen unter Berücksichtigung des Prinzips des zahlenmässig untervertretenen Geschlechts bei gleichwertiger Qualifikation;
  • Schaffung von strukturellen Voraussetzungen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf (z.B. durch ein Kontingent an Krippenplätzen in Kreuzlingen für Kinder von Mitarbeitenden der PHTG);
  • Engagement für gleiche Entwicklungschancen innerhalb der PHTG unabhängig vom Geschlecht;
  • Organisationsentwicklung unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Menschen aller Geschlechter (Gender Mainstreaming);
  • Vermittlung von Genderkompetenz an die Studierenden (z.B. über die Betreuung von Qualifikationsarbeiten zum Thema Geschlecht und Lehrberuf oder innerhalb von Modulen zum Thema «Gender»);
  • Streben nach Geschlechtergerechtigkeit im Sprachgebrauch der PHTG. Das dazugehörige Rüstzeug wird in den «Empfehlungen zu einem geschlechtergerechten Sprachgebrauch» an der PHTG zur Verfügung gestellt.

Für die Bearbeitung der Handlungsfelder setzt die PHTG einen Beauftragten/ eine Beauftragte für Gleichstellung ein und mandatiert eine ständige Arbeitsgruppe Gleichstellung (Mandat AG Gleichstellung).
Der oder die Beauftragte für Gleichstellung hat zur Aufgabe, …

  • Studierenden und Mitarbeitenden Auskünfte und Informationen zu Gleichstellungsfragen zu erteilen und Anlaufstelle für Arbeits- oder Studienprobleme aufgrund geschlechtsspezifischer Diskriminierung zu sein;
  • sich mit anderen Institutionen und Organisationen zu Gleichstellungsfragen auszutauschen (z.B. im Rahmen der AG Gender und Chancengleichheit der Kammer PH von swissuniversities oder der AG Gender & Diversity der Internationalen Bodenseehochschule);
  • gemeinsam mit der Arbeitsgruppe Gleichstellung jährlich einen Vorschlagskatalog zuhanden der Hochschulleitung mit Massnahmen zur Verwirklichung der Gleichstellungsziele im Kontext der Handlungsfelder zu erarbeiten.
Warum ist der Männeranteil bei den Studierenden an der PHTG so tief?

Im nationalen Vergleich entspricht der Männeranteil der Studierenden an der PHTG dem Durchschnitt. Die Ursachen für den tiefen Männeranteil sind vielfältig:
Gemäss Helbig (2010, S. 6) ist «der Lehrberuf schon lange ein weiblich geschlechtssegregierter Beruf, in dem mehr Frauen als Männer arbeiten». Ist in einem Land die Erwerbsbeteiligung von Frauen ansteigend, führt dies auch zu einem prozentual höheren Anteil an Frauen in frauentypischen Berufen (Helbig, 2010). Ein besonderes Merkmal des Lehrberufs ist, so Helbig (2010) weiter, dass ein Hochschulstudium für diesen Beruf Bedingung ist und daher Lehrerinnen in der Vergangenheit gute Bildungschancen hatten. Die Möglichkeit von Frauen also, am Arbeitsmarkt zu partizipieren und die gestiegenen Bildungschancen von Frauen im Vergleich zu Männern in den vergangenen Jahrzehnten beschreiben zwei Indikatoren, die allgemeine Geschlechterungleichheiten darstellen und die Geschlechtssegregation im Lehrberuf beflügeln (Helbig, 2010).
In Ergänzung zu obiger Argumentation kann erwähnt werden, dass die Geschlechtersegregation durch verschiedene Mechanismen beeinflusst wird (Lanfranconi, 2013, S. 29): Z. B. Geschlechtsstereotypen (ein als weiblich wahrgenommener Beruf kommt für junge Männer kaum in Frage, da es eine Kollision mit der Geschlechtsidentität nach sich zieht), das Ausbildungssystem mit seiner frühen Selektion (sich mit 15 – in einem Alter, in dem es wichtig ist, sich als richtiger Mann, als richtige Frau zu präsentieren – für einen Beruf zu entscheiden, der gesellschaftlich einem anderen Geschlecht als dem eigenen zugeschrieben wird, erscheint unmöglich), die horizontal wenig durchlässigen Berufslaufbahnen und v.a. die traditionelle Ausgestaltung der Arbeitsstellen (Teilzeitstellen und Jobsharing sind im Lehrberuf möglich, was sich mit traditionellen Familienverpflichtungen von Lehrerinnen verbinden lässt).
Letztlich kann erwähnt werden, dass der Lehrberuf mit «Liebe zum Kind» und mit «verständnisvollem Umgang mit Kindern» in Verbindung gebracht wird, was gesellschaftlich betrachtet eher Frauen zugesprochen wird. Andere Studien legen hingegen nahe, dass nicht das Geschlecht ausschlaggebend ist, einen sogenannten «Frauenberuf» zu wählen, sondern ein empathisierender Kognitionstyp, zu welchem Frauen im Durchschnitt eher neigen als Männer (Baron-Cohen, Knickmeyer und Belmonte 2005; Zeyer 2010, 2012; Zeyer und Wolf, 2010; Zeyer, Bölsterli, Brovelli und Odermatt 2012).

Literaturverzeichnis:

  • Baron-Cohen, S., Knickmeyer, R. und Belmonte, M. K. (2005). Sex Differences in the Brain: Implications for Explaining Autism. Science, 310, 819–823.
  • Helbig, M. (2010). Lehrerinnen trifft keine Schuld an der Schulkrise der Jungen. WZBrief Bildung - Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, 1–6.
  • Lanfranconi, P. (2013). Verlorene Talente. Magazin – Die Zeitschrift der Universität Zürich, 22(4), 29–32.
  • Zeyer, A. (2010). Motivation to Learn Science and Cognitive Style. Eurasia Journal of Mathematics, Science & Technology Education, 6(2), 123–130.
  • Zeyer, A. (2012). Motivation to Learn Science: A Question of Gender or Cognition? Science Education Review, 11, 28–32.
  • Zeyer, A. und Wolf, S. (2010). Is There a Relationship between Brain Type, Sex and Motivation to Learn Science? International Journal of Science Education, 32(16), 2217–2233.
  • Zeyer, A., Bölsterli, K., Brovelli, D. und Odermatt, F. (2012). Brain type or Sex Differences? A Structural Equation Model of the Relation between Brain type, Sex, and Motivation to Learn Science. International Journal of Science Education, 34(5), 779–802.
Welche Massnahmen trifft die PHTG, um den Männeranteil unter den Studierenden anzuheben?

Hinsichtlich der Untervertretung von Männern an der PHTG achtet die PHTG bei ihren Informationen über ihre Studiengänge und den Lehrberuf darauf, auch Männer explizit anzusprechen. Zudem werden in verschiedenen Aus- und Weiterbildungsgefässen – z.B. im Wahlmodul «Gender» oder im CAS Berufswahlcoach – Gleichstellungsanliegen aufgegriffen, um innerhalb der Schule geschlechtsspezifische Stereotypen und Diskriminierungen zu erkennen und bestenfalls aufzubrechen. Auch das Angebot «Abenteuer Schule geben» im Zusammenhang mit dem Nationalen Zukunftstag, welches die PHTG jährlich für Knaben ausschreibt, zielt darauf ab, den Knaben den Lehrberuf näher zu bringen und ihnen eigene Erfahrungen zu ermöglichen.
Solche und weitere Massnahmen sind wichtig, können aber die grundlegende Herausforderung von stark verankerten Geschlechtsstereotypen nicht im Alleingang bewältigen. Griffige Massnahmen müssen daher bei den Erklärungsansätzen für eine Untervertretung der Männer im Lehrberuf ansetzen und gesamtgesellschaftlich getragen werden. Das bedeutet, dass Geschlechtsstereotype und Geschlechterlabels erkannt und aufgebrochen werden müssen, so dass keine Kollision mit der Geschlechtsidentität erfolgt, wenn der Beruf des Primarlehrers in Betracht gezogen wird. Oder mit anderen Worten: die Vorstellung, die Arbeit mit Kindern sei «weiblich» und damit irgendwie «unmännlich» muss kulturell überwunden werden. Massnahmen müssen daher familiäre Rollenbilder verändern, die Vereinbarkeit von Familienarbeit und Beruf für beide Geschlechter fördern und gesellschaftlich gutheissen sowie die Teilzeitarbeit in anderen verantwortungsvollen Berufen ermöglichen. Bilanzierend kann festgehalten werden, dass es sich bei der Untervertretung von Männern im Lehrberuf um ein weltweites Phänomen handelt und die wichtigsten Einflussfaktoren ausserhalb des Einflussbereichs der Lehrerinnen- und Lehrerbildung liegen.

 

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Dr. Iris Henseler Stierlin
Prorektorin Weiterbildung und Dienstleistungen
+41 (0)71 678 56 03
iris.henseler(at)phtg.ch

 

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