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Interview mit Prof. Dr. Esther Brunner zu 20 Jahren PHTG

Prof. Dr. Esther Brunner

Ein Gespräch über ihre Verbindungen zur PHTG, wie sie bisher für sie gewirkt hat und was sie sich für die PHTG wünscht.

Meine Verbindung zur PHTG… 
«Mach mal, das kannst du!» das war mein Einstand an der PHTG in der Mathematikdidaktik. Die Worte stammen von Matthias Begemann, der jemanden brauchte, dem er seine Mathematikdidaktiklektionen noch im Seminar Kreuzlingen übertragen konnte. In ihnen steckt zweierlei, was für mich den Start an der PHTG und das Wirken an dieser, «meiner» Institution während 20 Jahren geprägt hat: dieses grosse Vorschussvertrauen in Menschen, die etwas bewegen und sich einsetzen möchten und dieser unglaubliche Pioniergeist, gemeinsam etwas schaffen und aufbauen zu wollen – im Kanton, in dem ich aufgewachsen und selbst die Lehrerinnenausbildung durchlaufen habe.

Die PHTG ist «meine» PH geworden und geblieben. Sie ist mein «wissenschaftliches Zuhause» und wenn ich bei Anmeldungen zu Kongressen oder bei Artikeleinreichung für eine Zeitschrift nach meiner «Affiliation» gefragt werden, freue ich mich, «PHTG» eintragen zu dürfen. Längst werde ich auch im Ausland nicht mehr gefragt, «wo ist denn dieses Thurgau?», die PHTG ist mittlerweile, nicht nur im grenznahen, sondern auch im weiteren Ausland bekannt, zumindest in der Mathematikdidaktik.

So habe ich bislang für die PHTG gewirkt… 
An der PHTG kann ich alles machen, was ich wahnsinnig gern mache: Ich kann zusammen mit Kolleginnen und Kollegen neue Mathematikmodule entwickeln und Studierende ausbilden und begleiten, ich kann Weiterbildungen konzipieren und in Schulen durchführen. Ich kann mit Schulleitungen zusammen massgeschneiderte Anlässe konzipieren für eine Weiterentwicklung ihres Mathematikunterrichts und ich kann zu Gelingensbedingungen von Mathematikunterricht forschen und die gewonnenen Forschungsergebnisse wieder für die Schulen nutzbar machen. Dieses vielfältige Wirken zielt immer auf den Mathematikunterricht in den Schulen ab, der von den Kindern und Jugendlichen als sinnstiftend, als bereichernd und als etwas Schönes erlebt werden sollte. «Mathematik ist die Sprache, in der die Welt geschrieben ist», soll Galileo Galilei gesagt haben – nichts mehr und nichts weniger. Und darum geht es letztlich bei allem, was ich an der PHTG umsetze: Mathematik als etwas Wichtiges, etwas Ästhetisches und als kulturumspannendes Werkzeug zu vermitteln.

Sinnstiftung in Mathematik zeigt sich auch beim mathematischen Argumentieren, einem besonderen Forschungsschwerpunkt von mir. Mathematisch argumentieren zu lernen im Kindergarten, in der Primar- oder der Sekundarschule heisst, nicht nur Wissen zu erwerben, sondern Wissen dafür einzusetzen, etwas vertieft verstehen und anderen zugänglich machen zu können. Zu erforschen, wie Kinder mathematisch argumentieren, ist daher überaus interessant und aufschlussreich. Daran lässt sich dann erkennen, wie Lehrpersonen in Weiterbildungen lernen können, wie sie die Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen und fördern können. Zum mathematischen Argumentieren arbeiten viele verschiedene Forschende. Es ist wunderbar, in einem solchen breiten, internationalen Netzwerk zusammen mit Forschungspartner:innen zu arbeiten, auszutauschen, Ideen zu entwickeln und dieses Wissen nicht nur an Studierende und Lehrpersonen, sondern auch an Doktorierende im Fach Mathematikdidaktik weiterzugeben.

Sprachbewusster Mathematikunterricht reiht sich ebenfalls in die Forschungsschwerpunkte ein und ermöglicht über den Fachbereich Mathematik hinaus auch Zusammenarbeiten und Kooperationen mit Forschenden aus dem Bereich Sprachdidaktik.

Als dritten Forschungsschwerpunkt sei Unterrichtsqualität aus mathematikdidaktischer Sicht erwähnt. Auch hier entwickelt sich ein internationales Netzwerk wie beispielsweise im Rahmen des Leibniz-Netzwerks Unterrichtsforschung oder in Zusammenarbeit mit einem Kollegen von der Harvard University bei der gemeinsamen Herausgabe einer Themennummer für eine renommierte Mathematikdidaktische Fachzeitschrift.

Mathematische Bildung ist aber auch im internationalen Vergleich interessant, nicht nur mit Blick auf die Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler, sondern auch mit Blick auf die Rahmenbedingungen, die beispielsweise Kindergärtnerinnen in Taiwan, bei uns und in Deutschland haben oder mit Blick auf Unterrichtspraktiken und mathematische Aktivitäten, die in den Klassenzimmern und Schulen umgesetzt werden. 

Aus all diesen Interessens- und Forschungsgebieten hat sich ein vielfältiges und international breites Netzwerk von Forschenden ergeben. Um dieses Netzwerk zu pflegen, sind oft auch Reisen wichtig und nötig, Reisen an Kongresse, um aktuelle Forschungsergebnisse zu präsentieren, aber auch Reisen zu Kolleg:innen an anderen Universitäten zum Austauschen, Entwickeln von neuen gemeinsamen Projekten, Auswerten von Daten oder Schreiben von Forschungsartikeln.

Und so die PHTG für/auf mich…
Etwas Besonderes an der PHTG war für mich immer, dass engagierte Menschen in ganz unterschiedlichen Formationen zusammenarbeiten können und dass daraus nicht selten Freundschaften entstehen: Freundschaften mit Kolleg:innen aus dem gleichen und aus anderen Fachbereichen, Freundschaften, die durch gemeinsame Problemlösungen, die Entwicklung von Lehrmodulen, von Veranstaltungen, Projekten und Forschungsvorhaben entstanden und die tragfähig geblieben sind und über die Arbeit an der PHTG hinaus bestehen.

Solche Freundschaften haben sich im Lauf der Jahre auch mit Kooperationspartner:innen in der Schweiz und im Ausland ergeben. 

Das Besondere an der PHTG ist für mich… 
Besonders an der PHTG sind für mich die kurzen Wege, die Nähe zum Schulfeld und die tolle Zusammenarbeit mit Lehrpersonen verschiedenster Schulstufen, zu kantonalen Verantwortlichen, zu Verbänden, zur breiteren Öffentlichkeit. Aus dieser Nähe entstehen nicht selten Ideen für Forschungsprojekte rund um den Mathematikunterricht oder für Anpassungen in Lehrmodulen oder Themen für Weiterbildungskurse. Und wenn man dann irgendwo – auch in einem anderen Kanton – einen Vortrag hält oder eine schulinterne Weiterbildung leitet, trifft man nicht selten auf bekannte Gesichter: auf ehemalige Studierende, die einen nun als Schulleitung oder als Heilpädagogin für eine Weiterbildung einladen oder ehemalige Studierende, die im Publikum sitzen und einen begrüssen und nicht selten darüber stauen, dass ich ihren Vornamen weiss (ich habe nur mit dem Erinnern von Nachnamen Mühe… ;-). Das ist immer eine ganz besondere Freude zu sehen, was aus ehemaligen Studierenden geworden ist, wo sie nun arbeiten und wofür sie sich einsetzen und verantwortlich sind und dass sie sich offensichtlich auch nicht ungern an die besuchten Lehrveranstaltungen erinnern. Ganz besonders ist aber, wenn man bei der Leitung einer schulinternen Weiterbildung auf jemanden stösst, den/die man in der PHTG als Studentin in der Mathematikdidaktik hatte und zuvor – im Erstberuf als Primarlehrerin – selbst als Kind unterrichtet hat! Solche langjährigen biografischen Verknüpfungen zeugen von vielfältigen Möglichkeiten einer beruflichen Biografie.  

Für die PHTG wünsche ich mir…
Dass sie in den nächsten 20 Jahren – gewissermassen als «erwachsene» Institution – den anfänglichen Pioniergeist und die grosse Schaffenskraft und -freude, Agilität und Flexibilität behält. Etwas von dieser Aufbruchsstimmung ist auch jetzt gerade wieder spürbar. Kreative Arbeiten und Weiterentwicklungen brauchen kreative, offene, engagierte und neugierige Menschen und solche brauchen Vorschussvertrauen und die Möglichkeit eines inhaltlichen Gestaltungraums! Ein solcher ist die PHTG. Ihr ist weiterhin ein offener und kritischer Geist, ein lustvoller Gestaltungswillen und eine kreative, partizipative und kooperative Umsetzung zu wünschen!

 

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