14.03.19 Exquisite italienische Literatur
Viele Fragen wurden von den anwesenden Schülerinnen und Schülern, die im Schulunterricht mit der eigenen Lehrperson das Buch gelesen hatten, gestellt. Der Schriftsteller beantwortete die lange Liste geduldig und in kurzen Sätzen, was die Aufmerksamkeit des Publikums anzog. So profilierte sich Marco Balzano nicht nur als guter Romanschreiber, sondern auch als geschickter Sprecher.
Historischer Hintergrund
13 Literaturpreise durfte er für seine vier bisher publizierten Romane entgegennehmen, und erlangte 2018 mit «Resto qui» den zweiten Platz am prestigeträchtigen italienischen Literaturpreis Premio Strega. Dieses Buch hat insofern hohe Wellen geschlagen, als es eine bewegende Thematik aufgreift: das literarisch verarbeitete Schicksal der Gemeinden Resia und Curon Venosta und ihren Einwohnern, die zuerst zwei Diktaturen erleben mussten und dann unter der «neuen Demokratie» in Italien untergingen, der Gewalt der Lobby der Firma Montecatini ausgeliefert, die das Dorf im Namen des Progresses zerstörte. Eine Staumauer und ein Stausee wurden gebaut, ohne jegliche Rücksicht auf die Bewohner. Der Kirchturm aus dem 14.Jahrhundert, der heute noch aus dem künstlichen Stausee Lago di Resia (Reschensee) ragt, soll – so Balzano – als Mahnmal an die Ohnmacht erinnern, mit der die Bewohnerinnen und Bewohner des Val Venosta (Vinschgau) die Geschichte über sich ergehen lassen mussten.
Aus der Sicht der Betroffenen
Marco Balzano hat als Erzählerin eine weibliche, starke Figur namens Trina gewählt. Sie ist gebildet, kann lesen und schreiben, ist deutscher Muttersprache, beherrscht aber auch Italienisch. Als das Mussolini-Regime 1922 im Südtirol die deutsche Sprache verbot, unterrichtete sie an den illegalen Katakombenschulen Deutsch. Balzano hat sich für diese Figur von einer 84 Jahre alten Frau inspirieren lassen, die er in einem Foto der damaligen Zeit als letzte «resistente» Frau gesehen hatte. Sie stand auf einem Tisch inmitten einer Küche voll mit Wasser und hat sich geweigert wegzugehen, als die Polizei versuchte, sie aus dem Haus zu zwingen. Das Interesse vieler Schülerinnen und Schüler weckte aber auch der Antagonist von Trina: der tüchtige, aber ruhige Sohn Michael. Dieser entschied sich für das dritte Reich, kämpfte gegen Vater und Mutter und blieb innerlich, auch bei der Heimkehr nach Hause und der Versöhnung mit den Eltern nach dem Krieg, ein Kollaborateur.
Text: Enza Gervasi (KSR) und Eleonora Rothenberger, Dozentin Italienisch und Fachgruppenvorsitzende der KSBG